Counter-Culture in Hamburg
Hamburg im Sommer: Warm und feucht drückt die Luft durch die engen kleinen Gassen des Gängeviertels, das noch immer als Sinnbild für den Kampf alternativer Kulturen gegen den Ausverkauf steht. Insofern ist der Ort der Albumvorstellung von „10 Lieder für Freunde“ gut von Der Rest gewählt worden. Alles an diesem Abend in der alten Druckerei ist ‚counter-culture‘ im wahrsten Sinne des Wortes. Im Laden herrscht der Charme des marxistischen Kollektiv: kein Eintritt und warme Getränke gegen eine freiwillige Spende. Am Ende des Schlauchs steht eine kleine Bühne auf der Phil Taraz und seine Mitstreiter gegen 23 Uhr endlich loslegen – die Hitze im Laden ignorierend preschen Der Rest nach vorn. Was auf dem Album noch nachdenklich nach Neo-Folk und Indierock klingt, bekommt im Ambiente des Punkschuppens (das CBGBs lässt grüßen) eine dringlichere Gewandung. Keine drei Songs ins Set verfallen die etwa 40 buntgemischten Gäste in den jeweiligen Euphoriemodus ihrer Subkultur. Da tänzeln Gruftis die Hände wedelnd neben hüfenden Pogo-Punks und fröhlich wippenden Alternativo-Studenten. In einer Ecke stehen ein paar reserviert nickenden hanseatischen Links-Intellektuelle – Freunde der Band, die ‚ihre‘ Lieder hören wollen. Der Rest präsentieren an diesem Abend souverän, wenn auch soundtechnisch verschwommen, ihre poetischen Avantgarde-Botschaften und sind damit so ‚counter-culture‘ wie man in Hamburg im Sommer eben sein kann.
Der Rest – „10 Lieder für Freunde“
Ursprünglich erschienen im Piranha 09/2014