Der Sound aus der Jagdhütte
Um dem Druck der Industrie zu entkommen flüchteten Livingston für die Aufnahmen zu ihrem neuen Album in den Spreewald
Der Erfolg war von Anfang an da und begleitet die vier Musiker von Livingston seit ihren ersten Demoaufnahmen 2006. Es folgten zwei Alben beim Majorlabel inklusive der dazugehörigen Chartsingles, diverse Support-Shows für internationale Popgrößen, sogar Auftritte in deutschen Telenovelas und mit „Go“ der offizielle ZDF-Olympiasong für die Winterspiele in Vancouver. Doch für die Band war jeder Schritt zum Erfolg auch zugleich ein Schritt weg von sich selbst.
„Unsere Sichtweisen waren zu anders. Das Label hat klare Vorstellungen davon, was mit unserer Musik alles möglich ist. Wir haben viele kleine Kompromisse gemacht, Dinge von denen wir nicht wussten, was sie für uns bedeuten würden“, meint Bassist Phil Magee und schüttelt den Kopf über die Auftritte, die man so angeboten bekam. „Irgendwann wollten die uns sogar in den ZDF-Fernsehgarten schicken, das ging aber schon mal gar nicht“, erklärt Gitarrist Jakob Nebel, dem als einzigem Deutschen in der Band die Rolle des Erklärers zukam: „Ich musste der Band erklären, warum das so überhaupt nicht gut war – nur das Label hat das eben nicht so gesehen.“
Entsprechend trennte sich die Band vom Label und zog aus, das dritte Album nur nach den eigenen Vorstellungen zu produzieren. Zog aus, aus Berlin, aus der Zivilisation, aus dem Business – und in eine Jagdhütte im Spreewald, wo der nächste Nachbar über einen Kilometer entfernt war und nur die Rehe dem Schaffen zusehen durften. „Es war befreiend. Endlich waren da nicht mehr all diese Meinungen und Stimmen zu den Songs“, meint Magee und sieht die Entscheidung zum Ausstieg als entscheidenden Faktor, um ein authentisches Livingston-Album zu erschaffen. „Es war uns enorm wichtig, dass wir alles an diesem Album selber machen und das niemand es zu hören bekam, bevor wir fertig waren. Deswegen haben wir die Hütte gemietet und zu unserem Studio umgebaut. In jeder Ecke lagen Instrumente und wer schlafen wollte, der musste Ohrstöpsel nehmen, weil immer jemand noch an Songs geschrieben hat.“
Und so entstand in der Abgeschiedenheit des Spreewalds das neue Album „Animal“, das eine Momentaufnahme in der Entwicklung von Livingston zeigt. Was überrascht, ist dass die Songs so gar nicht nach Waldeinsamkeit klingen und auf die Klischees des Handgemachten verzichten. Nebel ist begeistert und erklärt den Sound als Collage der vier Mitglieder: „Nur weil wir im Wald waren, müssen wir nicht wie die Kings of Leon klingen. Nein, wir haben nur einfach ein Album geschrieben, wie wir es haben wollten. Und das ist Mainstream-Rock im besten Sinne – mit fetten Gitarren, mit Elektronik und dem großen Sound.“
Animal (CD) ist am 19.09.2014 erschienen.
Ursprünglich erschienen in der KulturNews 10/2014