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Sich Respekt erspielen

Gibt es ein Leben nach der Casting-Show? Michael Schulte beweist mit seinem zweiten Album „The Arising“, das auch Showteilnehmer musikalischen Respekt verdient haben.

„Ich glaube, mit diesem Album bin ich richtig angekommen Ich habe mich musikalisch gefunden. Beim ersten Album, direkt nach der Show, wußte ich noch nicht genau, wer ich bin und wie meine Musik klingen sollte. Die Songs sind mir heute zu glatt und poppig, aber auf dem neuen Album hört man die Entwicklung. Die Songs haben viele Facetten und sind variabler, das gefällt mir besser.“ Michael Schulte, der in der ersten Staffel von The Voice of Germany den dritten Platz belegte, ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass auch in Casting-Shows ‚richtige‘ Musiker zu finden sind. Den Vorwurf, Castings würden Plastikmusiker produzieren, die keine Substanz mitbringen, kann Schulte zwar nachvollziehen, sieht sich selbst aber abseits dieser Vorurteile: „Es stimmt schon, das Casting-Shows diesen Beigeschmack haben, aber ich denke, es geht auch anders. Ich habe das Gefühl, wie jeder andere Newcomer, mir musikalisch erst einmal den Respekt des Publikums verdienen zu müssen. Natürlich hat die Show geholfen, Bekanntheit zu erlangen, aber der Erfolg der Alben steht für sich. Ich habe keine Ahnung, wo ich ohne die Show wäre, aber mit meiner jetzigen Arbeit hat sie nichts mehr zu tun.“

Es mag geholfen haben, dass Schulte bereits vor der Show sehr aktiv war, Alben selbst produzierte und ohnehin auf bestem Wege zur Karriere war. „The Arising“ ist entsprechend das Ergebnis einer Entwicklung, die durch The Voice wohl nur beschleunigt wurde. Die zwölf Songs zeigen Schulte als vielseitigen Singer-Songwriter, mal kraftvoll rockig, mal sanft und melancholisch mit akustischer Gitarre. Insgesamt ist das Album aber eher etwas dunkler gefärbt, mit Texten, die eine tiefe Auseinandersetzung mit der eigenen Position im Leben nachzeichnen, irgendwo zwischen Affirmation („The Arising“) und Selbstzweifel („Dear Doubt“). „Ich bin eher etwas melancholisch. Ich denke viel über mich nach, über meine Mitmenschen und die Welt, in der wir leben. Dabei kommt kein beschwingt-fröhlicher Sound raus, aber dafür sind die Texte ehrlich und die Musik authentisch. Das ist mir wichtiger, weil es live auch bemerkbar ist – das transportiert sich zum Publikum.“

Aus dem Album spricht zum einen der Erfolg, einen Weg in die Eigenständigkeit gefunden zu haben und die „spannende Erfahrung“ der Show einzig als einen von vielen Schritten auf diesem Weg zu sehen. Zum anderen aber vibriert hier auch das Potential einer großen Musiker-Karriere, die Sehnsucht, auch in Zukunft von der Musik leben zu können und dabei einen authentischen Pfad zu finden. Die Alternative dazu jedenfalls wäre nicht weniger schwierig, wie Schulte verstohlen zugibt: „Eigentlich war der Plan, Fussballprofi zu werden.“ Zum Glück war der Drang zur Musik größer.

Michael Schulte – „The Arising“

Ursprünglich erschienen im Piranha 10/2014