Spreewald-Sound
Das neue Album der Band Livingston entstand nicht in einem professionellen Studio sondern in einer umfunktionierten Ferienhütte mitten im idyllischen Spreewald, südlich von Berlin.
Ein Jahr lang haben die Musiker von Livingston sich aus dem Produktionsalltag ausgekoppelt, sich entschleunigt – wie man auf Neudeutsch wohl sagen würde –, und sich mitsamt des Aufnahme-Equipments in eine Jagdhütte mitten im Nirgendwo verzogen. „Wir haben uns Zeit genommen, waren jeden Monat bestimmt eine Woche in der Hütte. Die hatte vier Schlafzimmer, so dass jeder von uns ein Zimmer hatte, um dort mit seinem Instrument und seinem Laptop an Songideen zu basteln“, erzählt Gitarrist Jakob Nebel über den Entstehungsprozess des Albums: „Nur bei den Aufnahmen wurde es dann chaotisch. Wir hatten echt Mühe, das Drumset ins Wohnzimmer zu bekommen. Aber dafür konnten wir wirklich jederzeit alles ausprobieren, egal ob das Nachts um drei war oder nicht. Der nächste Nachbar war kilometer weit weg. Im Sommer haben wir die Türen aufgemacht und die Wallachei beschallt.“
Ein wenig Chaos war es aber auch, was die Bandmitglieder wieder zurück haben wollten. Das letzte Album „Fire to Fire“ war von ihrem Majorlabel ursprünglich abgelehnt worden. „Die haben uns zurück ins Studio geschickt, weil ihnen unser Album nicht gefiel. Und das geschah mit klaren Ansagen, wie die Songs sein müssten, bis hin zum Format und den Vorgaben für Radiosingles. Das Album war strikt durchgeplant. Das wollten wir dieses Mal um jeden Preis vermeiden“, sagt Phil Magee, Basser der Band. „Wir wollten einen klaren Kopf, keine Einflüsse von Außen, keine Trends oder Idealvorgaben. Es ging dabei nur darum, uns vier zusammen zu bringen und zu schauen, zu was für einem Sound wir fähig sind. Wie wir klingen wollen, wenn kein anderer uns reinredet.“
Und so nahmen sie „Animal“ selbständig auf und stellten es dem neuen Label erst vor, als alles fertig abgemischt war. Herausgekommen bei dem Experiment Spreewald-Hütte, ist aber kein Sound, der den Rückzug der Band transportiert. Vielmehr sind die 12 Songs auf dem Album druckvolle Rock-Hymnen, die groß produziert klingen: fette Gitarren, volle Synthiewände, volumiger Gesang. „Es ist total spannend. Wir haben uns von allen Einflüssen frei gemacht und dabei wieder einmal festgestellt, dass wir vier einen sehr satten und Mainstream-orientierten Rocksound haben. Livingston als musikalisches Kollektiv ist eine große Stadionrockband“, meint Nebel und fügt noch an, das für Livingston die Schublade des Mainstream nichts Negatives sein muss: „Wir mögen diesen großen, zugänglichen Sound – und wir fühlen uns wohl damit. Dennoch hat das Album ja auch raue Kanten, die ebenfalls zu uns gehören. Der Sound von ‚Animal‘ ist eben das, was uns ausmacht zu diesem Zeitpunkt. Das ist Livingston.“
Livingston – „Animal“
Ursprünglich erschienen im Piranha 10/2014