Game-TippsGames

Game Tipp: The Vanishing of Ethan Carter

Narratives Kleinod

Dieses Spiel nimmt den Spieler nicht bei der Hand. In »The Vanishing of Ethan Carter« ist diese Aussage Programm. Das Adventure wandelt auf den Spuren von »Dear Esther« oder »Gone Home«, in dem es den Spieler ohne Anleitung auf eine Erkundung schickt und ihn die mysteriöse Geschichte um das Verschwinden des kleinen Jungen Ethan Carter dabei wie im Vorbeigehen entdecken lässt. Wie in diesen Vorbildern ist es vor allem die stürmische, verlassene und an Schauerromane erinnernde Landschaft, die für die Atmosphäre sorgt und die Szenen zu einer ganzheitlichen Erzählung verbindet. Als Spieler bewegt man sich durch die Welt und erfährt dank verstreuter Hinweise, welche Geister diesen menschenleeren Ort heimsuchen und welche unaussprechlichen Ereignisse sich hier abgespielt haben. Doch »Ethan Carter« weicht von der Zeugenperspektive eines »Dear Esther« ab, in dem der Spieler aktiv werden, Spuren finden und Rätsel lösen muss – ohne seine Schlussfolgerungen bleibt Ethan verschwunden, dessen Schicksal ungeklärt. Im physischen Durchqueren der grandiosen Landschaft stößt man auf Hinweise, die zusammengesetzt einen Blick in die Vergangenheit Preis geben. Blutspuren, Zeitungsausschnitte und Fotos offenbaren einen Riss im Jetzt, durch den der Spieler die Geschichte des Jungen erfährt und so dem Rätsel um dessen Verschwinden näher kommt. »Ethan Carter« ist die Erkundung eines vergessenen Tals jenseits unserer Gesellschaft, es ist eine Reise in eine andere, dunklere Welt. Weil aber niemand da ist, der einen bei der Hand nimmt, ist es nur für erfahrene Entdecker geeignet, die abseits der ausgetretenen Pfade zurecht kommen. Der unbedachte Wanderer, dessen Erwartungshaltung von abgeseilten Wegen und beschilderten Höhlen hier verweigert wird, könnte sich verirren und frustriert und einsam aufgeben.

 Ursprünglich erschienen im Kreuzer 11/2014