Die Ordnung der Dinge
Sänger Phil Labonte von All That Remains ist kein philosophischer Typ, und doch verweist er mit seinem neuen Album „The Order of Things“ auf tiefgründige Erkenntnisse. Was aber meint er mit der Ordnung der Dinge?
Eigentlich ist Phil Labonte ein echter amerikanischer Kerl, geradezu klischeehaft wenn man die Oberfläche betrachtet: Von Kopf bis Fuß durchtrainiert, ein struppiger Bart im Gesicht und eine Baseball-Kappe mit Tarnmuster auf dem Kopf. Mit rauer, grollender Stimme beantwortet er die Fragen zum neuen Album, während er auf seiner 50 Hektar großen Ranch in New Hampshire sitzt und sich freut, dass die Dinge ganz gut laufen für ihn: „Ich bin vor 5 Jahren hierher gezogen. Ich konnte den Vorort nicht mehr ertragen, brauchte Platz. Der nächste Nachbar ist einige Kilometer weit weg, damit ich meine Ruhe habe.“ Für die laute Musik? Ja, auch. Doch Phil meint insbesondere, wenn er mal wieder Bock hat zu jagen und mit seinen diversen Waffen zu schießen, dann kommt ihm hier keiner quer. Amerikanisch – typisch. Der Slogan von New Hampshire: „Live Free or Die“ liegt einem auf der Zunge.
In dieses Klischee platzt dann aber eine Aussage zum Titel des neuen Albums. Die Ordnung der Dinge ist nämlich keine Anspielung auf richtig oder falsch in dieser Welt, sondern eine tiefe Erkenntnis, die sich in Labonte breit gemacht hat: „Mir ist aufgefallen, dass man im Leben ständig versucht, die Welt zu kontrollieren. Das man meint, man könne die Welt so gestalten, wie man sie haben will. Aber das ist eine Illusion. Man muss loslassen. Ich kann noch so selbstsicher sein, ich kann dennoch nicht wirklich die Welt ändern. Stattdessen ist mir bewusst geworden, wie klein ich bin. Welchen Anteil ich habe an der Welt. Und dass ich immer nur reagiere, nicht wirklich entscheiden kann, wo es langgeht. Das neue Album reflektiert diese Erkenntnis und die Akzeptanz, dass es so ist.“
Und so könnte man die neue Seite des Phil Labonte wohl es positiv-stoisch bezeichnen. Er sei Musiker, mehr könne er nicht in der Welt. Als solcher schreibe er Songs und hoffe, dass sie anderen gefallen. Tun sie, zieht man etwa in Betracht, dass der Vorgänger das erfolgreichste Album in der Karriere von All That Remains darstellt. Auf dem neuen Album gehen sie den Weg weiter, vollführen wieder einen Spagat zwischen kompromisslos hartem Metalcore und melodiösen, fast popkombatiblen Songs. So finden sich zum Growl von Labonte und knüppelharten Double-Bass-Rhythmen auch immer wieder leise Parts, mit Piano und Akustikgitarre, oder poppige Melodiebögen, letztlich sogar mit einer deutlich dominanteren weiblichen Clean-Vocal von Jeanne Sagan, der Bassistin. „Das war ungewöhnlich für Jeanne, wir waren alle total überrascht wie großartig sie singt. Auf diesem Album ist das noch zaghaft dabei. Das wollen wir unbedingt stärker auf dem nächsten Album rausbringen“, sagt Labonte und reagiert damit auf den Erfolg der musikalischen Ausrichtung. Man sollte also vorsichtig sein, zu schnell diese Band in eine Schublade zu packen.
All That Remains – „The Order of Things“
Ursprünglich erschienen im Piranha 03/2015