Poetischer Zynismus
Seit mehr als 25 Jahren sind Aaron Stainthorpe und seine Band My Dying Bride nun schon im Metal-Geschäft unterwegs. „Feel the Misery“ ist ihr zwölftes Album und bedient voll und ganz die Erwartungen der Doom-Gemeinde.
Zumindest musikalisch bleibt man sich bei My Dying Bride treu – das Album ist geprägt von schleppenden Doom-Rhythmen, bedrohlichen Gitarrenwänden und einem düster lamentierendem Gesang. Auch inhaltlich ist eigentlich alles beim Alten, wie Aaron vermerkt: „Die Welt verrottet gerade, allerdings ist das mehr so ein moralischer und mentaler Verfall als vielleicht der vermeintliche physische Verfall. Wir achten gar nicht mehr drauf, was man uns alles als Wahrheit verkaufen will. Ich versuche ja gar nicht politisch zu sein mit meinen Songs, aber da ist diese Erkenntnis, dass wir es einfach alles mit uns geschehen lassen. Und nichts mehr daran ändern wollen. Ich nehme mir diese Realität vor, ich filtere sie und herauskommen dabei Poesie und Tragik.“
Wenn Aaron das mit ernster Mine erzählt, dann nimmt man ihm den „Doom and Gloom“ seiner Band schon ab, vor allem, weil My Dying Bride seit 25 Jahren so konsequent diesen Stil verkörpern. Dabei ist Aaron sich der Ironie aber bewusst, denn natürlich ist er Künstler und verkauft ein Produkt, nur eben eines voller Doom-Klischees vom Untergang der Welt: „Ich bin schon zu lange im Geschäft, um mir nicht der Klischees bewusst zu sein und ein Stück weit finde ich diese Stereotype auch gesund, aber auch Humor und Ironie sind wichtig. Wir überziehen vielleicht den Ernst der Sache textlich, aber wir verzichten immerhin auf Leder und Nieten …“
Die düstere Doom-Maske verrutscht und dahinter lugt ein erfahrener Profi hervor, der seinen Zynismus über den Job nicht ganz zu verbergen mag. 25 Jahre sind halt eine recht lange Zeit um Erfahrungen zu sammeln: „Wir sind fokussierter als früher und haben jetzt viel besser verstanden wie das Business funktioniert. Wir haben erkannt, dass die Metal-Szene langsam aber stetig abstirbt und sind eigentlich nur froh schon so lange dabei zu sein und so viel für uns erreicht zu haben. Die Szene verändert sich und jetzt durchstarten zu wollen, wäre ein Albtraum. Wir geben uns aber eben auch nicht mehr der Illusion hin, dass wir es je schaffen würden ‚groß raus zu kommen‘. Das ist Schwachsinn. Aber wir können unsere Musik machen und es gibt Leute, die das zu schätzen wissen. Das ist das wichtigste.“ Treu bleiben My Dying Bride sich und ihren Fans mit dem neuen Album auf jeden Fall. „Feel the Misery“ ist ein echtes Pfund, schwer und dunkel – und irgendwie sind der Untergang der Musikbranche und der vielbeschworene Tod des Metal dann ja auch wieder voll im Thema.
My Dying Bride – „Feel the Misery“
Ursprünglich erschienen im Piranha 10/2015