MusikMusik-Features

Die Erfahrungen des Alters

In mehr als zwei Dekaden als Musiker hat Ray Wilson schon so einiges erlebt, die Höhen und Tiefen der Karriere, persönliche Veränderungen und stetig die Liebe zur Musik. Mit „Time & Distance“ erscheint nun eine Art Live-Rückblick …

„I forget, it’s all so vague, time and distance“, singt Ray Wilson in seinem Song „Makes Me Think of Home“ und beschreibt damit, wie Erinnerungen verblassen. „Die Songs sind für mich noch so präsent, auch wenn die mit ihnen verbundenen Erinnerungen langsam schwächer werden. Mit dem Album wollte ich die Songs noch mal aufgreifen, meinen Weg von 1994 bis heute beschreiben.“ Diese Reminiszenz gelingt Wilson auf dem Doppelalbum in den Schritten, die auch seine Karriere ausmachen: eine CD ist komplett für Genesis reserviert, eine Hommage an das musikalische Umfeld mit dem er 1997 „Calling All Stations“ aufgenommen hat; der zweite Silberling gehört seiner Solo-Karriere, die er ab 2000 startete. „Das sind zwei so unterschiedliche Welten – in den 1990er Jahren war meine Karriere eine Achterbahn, wild und aufregend, aber auch emotional instabil. Ab den 2000ern wollte ich das nicht mehr, ich wollte Kontrolle und Stetigkeit. Ich habe viel Zeit investiert mich musikalisch aber auch geistig in eine bessere Position zu bringen. Ich möchte mir am liebsten durch die Zeit zurufen, besser auf mich zu achten, die Kontrolle über mein Leben zu behalten. Das spiegelt sich in den Songs und in meiner Karriere. Der Wunsch es besser zu machen, für mich selbst.“

Das Album verbindet beide Aspekte der Wilson-Karriere, in dem es ihnen ein einheitliches Klangbild gibt. Die Aufnahmen sind ruhig, teils „unplugged“ instrumentalisiert, schwanken zwischen intimer Songwriter-Atmosphäre und rockigem Clubsound. „Wir hatten neben der eigentlichen Rockband noch ein Orchester-Ensemble auf der Bühne, Saxophone, Flöte, Klarinette, Cello und Violine. Dadurch entsteht ein toller Mix aus akustischen und elektronischen Sounds, die ich schon immer für meine Konzerte liebe.“ Dadurch verleiht Wilson den Songs, den eigenen wie auch denen von Phil Collins, Peter Gabriel oder Mike Rutherford, ein organische Dichte – er spielt mit dem Material, lässt sich Zeit für die Entwicklung der Strukturen und Melodien. „Das ist die Magie der Live-Performance, du kannst die Songs polieren wie Edelsteine, sie richtig schöne Geschichten erzählen lassen.“ Und so erzählt Wilson 25 Geschichten, lässt uns an 25 Erfahrungen und Erinnerungen teilhaben – ein Blick durch Zeit und Entfernung, aber ohne Wehmut: „Heute ist doch die beste Zeit meines Lebens. Je älter ich werde, desto besser wird das alles hier.“

Ray Wilson – „Time & Distance“