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Der Lange Atem der 80er Jahre

Musikalisch entstammen Last In Line voll und ganz der Glanzzeit des Hard Rock, den 1980er Jahren. Doch der anhaltenden medialen Nostalgie, Stranger Things sei Dank, ist es wohl auch geschuldet, dass der Sound so erfolgreich bis ins Jahr 2023 nachhallt.

Line-Up und Historie der Band sprechen hier eigentlich schon Bände. 2012 gegründet mit dem erklärten Ziel nach dem Tod von Ronnie James Dio das ursprüngliche Line Up der Band Dio wieder zusammen zu bringen, vereint LIL die lebenden 80er-Rock-Legenden Vivian Campbell, Vinny Appice und Phil Soussan, die zusammen in so legendären Bands wie Black Sabbath, Dio, Def Leppard, oder auch für Ozzy Osbourne gespielt haben. Zusammen mit ex-Lynch Mob Sänger Andrew Freeman haben LIL nun mittlerweile das dritte Album vorgelegt, und „Jericho“ bedient wie auch die Vorgänger zu 100% den Classic und Hard Rock, den man von Dio und Co gewohnt ist.

Drummer Appice knüppelt sich mit treibendem Rhythmus durch die 12 Songs des Albums, immer im perfekt symbiotischen Spiel mit Campbells Gitarrenriffs. Hier erkennt man einfach, dass die beiden Veteranen und seit mehr als 40 Jahren gut aufeinander abgestimmt sind. Perfekt produziert setzen die beiden den musikalischen Rahmen, um Sänger Freeman eine Bühne für seine Rockröhre à la Robert Plant zu bieten. Hier wird keine Minute durchgeatmet oder in die Ballade abgedriftet. Das Album ist energiereich und setzt voll auf Druck. Zumindest was das Songwriting angeht gehören die Herren noch nicht zum alten Eisen.

In Sachen Produktion jedoch stand „Jericho“ wegen der Pandemie vor einigen Problemen. So muss Campbell zugeben, dass die „Technologie immer schon eine Herausforderung für mich war“, mit der die Band bei diesem Album besonders kämpfen musste: „Wir verlassen uns eigentlich auf die Chemie der Band, um Songs zu schreiben und nehmen gemeinsam im Studio auf.“ Doch dank Covid war dies nicht möglich. So mussten die Tracks in individueller Arbeit entstehen. „Es hatte auch Vorteile,“ meint Soussan, „wir haben Vinny seine Drums aufnehmen lassen und sobald er damit happy war, konnten wir unsere Parts zu Hause nach Lust und Laune polieren.“ Nur für Campbell war das nicht ideal. Das Zusammenspiel und die Erfahrung gemeinsam Material zu entwickeln benötigte letztendlich Zeit im Studio. So dauerte das Album länger und Last In Line nahmen die Hälfte der Songs erst nach dem Ende der Pandemie endgültig auf. Dafür aber wirken die Songs jetzt fast wie ein Befreiungsschlag, ganz als ob Band sich von der biblischen Story von Jericho habe inspirieren lassen – die Mauern sind gefallen als die Trompeten erklangen. Die 12 Songs auf „Jericho“ sind diese Fanfare, ein Zeichen gegen alle Widerstände, und für die Fans des klassischen Hard Rock.

Last In Line – „Jericho“

Ursprünglich erschienen im Piranha 04/2023