Genetisch veranlagte Traurigkeit
Nach seinem ersten englischsprachigen Album 2009 veröffentlicht der israelische Megastar Aviv Geffen nun schon zum dritten Mal in Kooperation mit Porcupine Tree-Mastermind Steven Wilson ein Album unter dem Namen Blackfield.
Nach dem kleinen Erfolg des letzten Blackfield-Albums 2007 war es erstmal eine ganze Zeit ruhig um die Band der beiden Ausnahmemusiker Aviv Geffen und Steve Wilson. Das mag sicherlich daran gelegen haben, dass Geffen sein englischsprachiges Solodebüt veröffentlichte und Wilson mit Porcupine Tree und deren Hitalbum The Incident beide Hände voll zu tun hatte. Doch diese Vernachlässigung bei Blackfield soll nicht fortgesetzt werden, verspricht Aviv Geffen: „Wir haben uns für 2011 nichts anderes vorgenommen und werden uns voll und ganz auf dieses Projekt konzentrieren.“ Dabei war die Zeit nicht der einzige Grund für das lange Schweigen. Es mag auch daran gelegen haben, dass beide Musiker Perfektionisten sind, wie Geffen meint: „Wir brauchten einfach genug Zeit uns vorzubereiten. Um genau zu sein, brauchten wir zwei Alben Zeit, um endlich diesen perfekten Blackfield-Sound zu finden. Dabei ist es uns endlich auch gelungen das jeweilige Ego zu Hause zu lassen, wovon wir beide mehr als genug besitzen. Bei diesem Album ging es uns aber um ein Zusammenfinden unserer Sounds, um absolute Harmonie.“
Diese Harmonie hört man dann auch auf dem Album, auf dem der experimentelle Progressive Rock-Sound zu Gunsten schmeichelnder Melodien, eines vierzigköpfigen Orchesters und an die späten Pink Floyd erinnernde Soundkollagen in den Hintergrund getreten ist. Geffen lacht bei dem Vergleich und meint: „Thematisch ist auf dem Album viel Romantisches zu finden, und die Anleihen bei Pink Floyd hört man tatsächlich raus. Wir haben uns bemüht unser bestes Songwriting zu entwickeln. Ich habe Steven zum Weinen gebracht und ihn dann zum Schreiben gezwungen. So haben wir unsere Tränen aufgefangen und in reines Klanggold verwandelt. So wurden aus den 37 Rohlingen der Songs elf Diamanten geschliffen.“ Die Idee von in Popsongs gegossener Traurigkeit mag furchtbar pathetisch wirken, trifft aber die Grundnote des Albums sehr gut. Die Songs von Welcome to my DNA bemühen sich die Traurigkeit des Lebens einzufangen, die Frage nach dem Leid zu stellen, das unsere Existenz prägt. Dem Titel des Albums zu folge könnte dies gar genetisch bedingt sein, wie Geffen erklärt: „Steven und ich haben uns genau diese Frage gestellt: ‚Sind wir genetisch veranlagt, traurig zu sein und Leid zu empfinden?‘ oder haben wir die Entscheidung darüber selber in der Hand? Auf dem Album versuchen wir dafür Antworten zu finden. Und wir stellen diese dann wieder in Frage. Aus unseren Schwächen versuchen wir Stärke zu gewinnen, Traurigkeit in Glück zu wandeln.“ Und so tasten sich Geffen und Wilson musikalisch über die Umwelt („Glass-house“) langsam an den Körper („Blood“) heran, um schließlich in seiner Genetik („DNA“) das Album zu beschließen. Eine Reise ins Ich, die schöner nicht hätte vertont sein können.
Ursprünglich erschienen in Piranha 04/2011 und bei Piranha.tv.