Rock ’n‘ Roll in Nahaufnahme
„Unsere Musik ist eine Familie“, schreibt Patti Smith. „Unsere Musik umhüllt uns mit Unverletzbarkeit, gibt uns eine Quelle, in der wir hemmungslos baden, Reaktionsmöglichkeiten, Momente des Atemholens und eine Vielfalt an Selbstausdruck.“ Die Ikone der amerikanischen Punk-bewegung beschreibt ihr Verhältnis zur Musik und gibt damit den Bildern von Annie Leibovitz‘ „American Music“ eine wörtliche Form.Die Karriere der amerikanischen Fotografin begann 1970 mit Arbeiten für den Rolling Stone, für den sie dreizehn Jahre lang arbeitete. Dabei entwickelte sie eine Vorliebe für abwegige Aufnahmen. Es interessierte sie, die Musik dort abzubilden, wo sie entsteht. Ihre Bilder zeigen, wie sie sagt: „Proben, Backstage-Räume, Hotelzimmer “ fast alles außer der Bühne.“ Zwischen 1999 und 2001 widmete sich Leibovitz erneut der Musik als Sujet, sie wollte das Thema mit reifen Augen betrachten und nach Jahren ihren eigenen Blick überprüfen. Das Ergebnis dieser Bestandsaufnahme kann man vom 14. Januar bis zum 2. April 2006 in einer Ausstellung des C/O Berlin (The Cultural Forum for Photography) bestaunen. Der gröflte Teil der Bilder entstand exklusiv für das Projekt, doch Leibovitz reichert „American Music“ mit einigen ausgewählten früheren Arbeiten an und erschafft ein Kaleidoskop amerikanischer Musik. Die Bilder zeigen die Entstehung von Musik, die Musiker, ihr Umfeld und ihr Leben. Leibovitz versucht auf ihren Fotografien die Visualisierung von Klang. Sie zeigt, „wie Gesang aussieht.“
Dafür hat sie sich in den gesamten USA auf die Suche gemacht. Gefunden hat sie eindrucksvolle, stille Bilder von Musikern aus dem Blues, der Grassroots-Bewegung und dem Gospel. Sie traf Legenden wie Eric Clapton, Eartha Kitt, Jerry Garcia und Bob Dylan. Sie besuchte die Stars des HipHop, wie Run DMC, Nellie oder P.Diddy. Sie schaute hinter die Masken des Rock und Punk bei Iggy Pop, Mike Ness oder Green Day. Und sie besuchte Johnny Cash und June Carter bei einem Familientreffen. Die Fotos von Johnny und seiner Tochter Rosanne gehören zu den bewegendsten Aufnahme der Ausstellung. Wer Musik einmal ganz ohne Ton unter der Haut spüren möchte, der sollte nach Berlin reisen. Oder zumindest den zur Ausstellung und zum günstigen Preis wieder veröffentlichten Bildband „American Music“ (Schirmer / Mosel Verlag, München, 39,80 Euro) kaufen und anschauen.
Der Artikel ist erschienen in WOM Ausgabe 02/06.
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