Gewalt in Videospielen

Gewalt in Computerspielen ist ein Dauerbrenner in der Diskussion um Altersfreigaben und den Einfluss auf die leicht zu beeindruckende Psyche der jungen Spieler. Doch ein genauer Blick auf die Umsetzung von Gewalt in Computerspielen offenbart subtile Unterschiede.

Gewalt ist in unserer Gesellschaft ein weit verbreitetes Phänomen, ob im realen Leben oder in der Darstellung in den Medien. Schon der Blick in die Kinderzimmer von heute verrät, dass die Faszination von Gewalt von den älteren Generationen an die jüngeren weitergegeben wird. Das Konzept ist nicht neu, schon unsere Eltern haben mit Platzpatronen und Colts gespielt. Doch in der Gesellschaft hat sich Gewaltbereitschaft zu einem ernsten Problem entwickelt, ohne dass es eindeutige Erklärungen geben würde. Dabei wird in den intellektuellen Zirkeln der Nation gerne der schwarze Peter der Schuld an die jeweils neuesten Medien verteilt und kräftig mit dem belehrenden Finger gewedelt. Seit einigen Jahren heißt das Ziel dieser Finger Videospiele.

Natürlich soll hier keineswegs etwas schöngeredet werden, wenn doch ein Blick in die aktuellen Spielecharts schon das Verhältnis von gewaltfreien zu gewaltätigen Spielen verdeutlicht. In den Top Ten der PC-Spiele findet sich lediglich ein Spiel (Die Sims 2 in zwei Versionen), das keine Gewalt beinhaltet. In den Konsolen-Charts werden die Ego-Shooter und Action-Adventure nur durch das vereinzelte Sportspiel ergänzt, so dass die aktuellen Xbox-Charts aus 9 Titeln mit Gewalt und nur einem ohne (MotoGP 3) bestehen. Die Warnungen der Sittenwächter sind also nicht unbegründet.

Allerdings gilt für Spiele dasselbe, was auch für Filme gilt. Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Oder sind die Raufereien von Dick & Doof mit den Prügeleien in Fight Club gleich zu setzen? Sind Itchy & Scratchy Gewaltakte ebenso schädlich, wie die aus American Psycho? Wohl kaum. Gewalt wird in den Medien in einer bunten Palette angeboten und von den Zuschauern unterschiedlich rezipiert. Bei Spielen lässt sich dabei eine ähnlich Bandbreite von Darstellungsformen beobachten, wie dies auch bei anderen audio-visuellen Medien der Fall ist.

So kann Gewalt im Spiel in unterschiedlichen Graden als realistisch dargestellt werden. Es ist dabei nicht ausschließlich die Hintergundstory für eine Wahrnehmung der Gewalt als realistisch entscheidend, sondern eine Vielzahl von Faktoren. Ein Spiel wie Bet on Soldier findet in einer ebenso fiktiven Welt statt wie Total Overdose, doch die Methodik der Gewalt hat eine andere affektive Wirkung auf den Spieler. Empfindliche Spieler beklagen an Ego-Shootern die starken körperlichen Reaktionen durch die Wahl der Perspektive. Sinn der Ego-Perspektive ist es, eine deutlich immersive Haltung im Spieler hervorzurufen und den Bruch mit der virtuellen Welt möglichst gering zu halten. Dabei ist in Bezug auf meine körperliche Reaktion irrelevant, ob ich auf Aliens schieße oder auf Soldaten. In der sogenannten Third-Person-Perspektive ist der Bruch mit der fiktiven Welt deutlicher herausgestellt. Eine Identifikation mit der Spielfigur fällt schwerer und die Gewalt wird passiv wahrgenommen. So kann denn ein Spieler seine Spielfigur mit einer Schaufel Leuten den Kopf einschlagen lassen und dennoch das Geschehen distanziert betrachten. Bei einem Ego-Shooter wäre den meisten Spielern unwohler dabei zu mute, weswegen Ego-Shooter oftmals auf Fernwaffen zurückgreifen.

Doch die realistische Wahrnehmung von Gewalt kann auch durch die grafische Umsetzung des Spiels verändert werden. So versuchen Ego-Shooter eine fotorealistische Welt zu erzeugen, mit eingescannten Gesichtern und detaillgetreuen Auswirkungen auf den Körper. Auch hier ist die Fiktionalität der Spielwelt kein Garant für mangelnden Realismus. Bet on Soldier spielt in einer Sci-Fi Welt, präsentiert sich aber dennoch grafisch einwandfrei als realistisch-möglich. Graduell gesehen ist ein Spiel wie Call of Duty 2 dank historischem Hintergrund und existierender Vorlagen sicherlich realer als Bet on Soldier, doch dessen Welt ist ebenso möglich. Ganz anders sieht es mit der Welt von Total Overdose aus. Das Spiel ist durch Klischees, Witz und (Selbst-)Ironie stark als satirisch gekennzeichnet. Wer hier die Gewalt als real wahrnimmt, der wird auch Die Simpsons für real halten können. Hinzu kommt die Metafiktionalität: das Spiel nimmt immer wieder Bezug auf sich selbst und andere Medien. Zitate und Anspielungen, ebenso wie das konsequente Überzeichnen der Gewalt lassen nicht zu, dass der Spieler die Welt als realistisch-möglich konstruiert.

Letztlich ist diese Form der Disassotiation bei Comic-artigen Spielen noch stärker ausgeprägt. Denn auch bei (Kinder-)Titeln wie Lego Star Wars oder Worms wird Gewalt ausgeübt, jedoch von Lego-Figuren oder kleinen Comic-Würmern. Niemand sieht hier von der Gewalt eine Gefahr ausgehen, so wie auch Roadrunner und Coyote sich ständig brutale Dinge antun konnten, ohne einen Aufschrei des Protestes auszulösen. Es bleibt also festzustellen, dass es viele Formen der Darstellung von Gewalt im Computerspiel gibt, diese sich aber keineswegs zur Verallgemeinerung anbieten. Nicht jede Form von Gewalt wird beim Spieler auch als realistisch empfunden und hat Einfluss auf dessen affektives Verhalten. Zu wünschen wäre sicherlich, dass die Wirkung von Gewalt detaillierter untersucht wird, aber auch, dass eine dogmatische Verteufelung des Computerspieles aufhört und durch einen fundierten Dialog ersetzt wird.

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