Der Songwriter. Der Poet.
Nick Cave, der verschroben-intellektuelle Exzentriker unter den Songwritern veröffentlicht endlich das zweite Grinderman-Album und wütet sich dabei noch tiefer in den Noiserock als schon auf dem Debut.
Piranha: Das neue Album „Grinderman 2“ fühlt sich ähnlich düster an, wie damals „Murder Ballads“ von den Seeds. Ist das hier eine Rückkehr zu den dunklen Themen?
Cave: Naja, irgendwie schon, aber das ist ja eine Thematik, die ich immer verfolge. Es ist ein wenig so, wie im Song „Heathen Child“, in dem ein Mädchen in der Badewanne sitzt und vor einer großen Transformation steht, sie zittert förmlich vor der Wandlung. Und da kommen ihr all diese dunklen Visionen, tief aus ihrem Unterbewusstsein. So fühlt sich das Album für mich an.
Piranha: Und woher stammen diese Visionen? Wie entwickeln sich die Charaktere in deinen Songs?
Cave: Sie sind wie Archetypen, denen man im Traum begegnet. Sie sind Symbole, die für bestimmte Bedeutungen stehen und diesen ein greifbares Bild geben. Das ist aber natürlich kein spezielles Bild, sondern vielmehr eine Reihe von Bildern, Assoziationen und Inhalten. Es ist wie eine Kurzschrift für kulturelle Symbole. Wenn ich den Wolfman erwähne, dann brauche ich nicht zu erklären, worum es geht. Jeder weiß, dass der Wolfman etwas Böses repräsentiert. Aber es ist auch nicht ganz so simpel, denn es steckt ja noch viel mehr Bedeutung dahinter.
Piranha: Aber hast du nicht Angst, dass diese ganzen Bilder bei deinen Hörern falsch ankommen?
Cave: Naja, das gehört wohl dazu. Ich meine, natürlich schmeißt du als Songwriter nicht einfach nur Worte zusammen und wenn du einen Song schreibst, dann hast du dabei sicher immer eine Art idealen Zuhörer im Kopf; einen Zuhörer, der aufmerksam ist und gebildet und der die Bilder, die du ihm präsentierst auch entziffern kann. Aber ehrlich gesagt, manchmal ist die ideale Bedeutung gar nicht so wichtig.
Piranha: Wie genau meinst du das? Geht es bei „Grinderman 2“ nicht um die Inhalte?
Cave: Nein, versteh mich nicht falsch, natürlich habe ich auch bei diesem Album viel Zeit damit verbracht. Aber manchmal geraten die Lyrics zu sehr in den Fokus, dabei vergisst man dann die musikalische Seite und die ist bei diesem Album sehr wichtig. Teilweise sind die Lyrics nur ein weiteres Instrument, dass den Rhythmus ausmacht, eine Atmosphäre vermittelt oder einfach Raum lässt für die anderen Instrumente.
Piranha: Und wie würdest du die Musik dann bezeichnen, die dabei rauskommt?
Cave: Keine Ahnung, Warren [Ellis] meinte, es sei ein wilderes und chaotischeres Album als das erste. Ich denke, die Leute versuchen immer das alles mit den klassischen Popstrukturen zu bemessen und dabei ist es für uns vielmals einfach nur ein Experiment. Das ist alles.
Grinderman – „Grinderman 2“
Lars Schmeink
Ursprünglich erschienen in Piranha 10/2010.